Safe Sport Code – ein Regelwerk gegen interpersonale Gewalt | Sport | DW


Interpersonale Gewalt wie sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch verletzt elementare Grundrechte und gefährdet die Integrität des Sports. Um dieser Gefahr zu begegnen, versuchen immer mehr Vereine und Verbände, Maßnahmen gegen Missbrauch und Gewalt im Sport in ihren Regelwerken zu verankern. Die derzeitige Regelungsdichte im Bereich der interpersonalen Gewalt ist gering. An der Sporthochschule in Köln wird nun an einem “Safe Sport Code” gearbeitet. Ziel ist es, Regelungsdefizite zu identifizieren und vorhandene Lücken zu schließen, um Sportler optimal zu schützen. Martin Nolte forscht an der Deutschen Sporthochschule Köln und ist mit der Entwicklung des Safe Sport Codes beauftragt.

Herr Nolte, Sie sind damit beauftragt, einen Safe Sport Code zu entwickeln. Worum geht es dabei? 

Martin Nolte: Das Projekt beginnt am 1. April und es ist darauf ausgerichtet, einen mustergültigen Code gegen interpersonale Gewalt, insbesondere sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch, zu erstellen. Wir haben dabei zwei olympische Spitzenverbände, den Deutschen Turnerbund und die Reiterliche Vereinigung, als offizielle Kooperationspartner zusammen. Darüber hinaus arbeiten wir auch mit dem Deutschen Basketballbund zusammen.  

Warum braucht es diesen Code? 

Nolte: Innerhalb der sportverbandlichen Regelwerke gibt es kaum spezifische Vorschriften gegen interpersonale Gewalt. Damit die Sportverbände wirksam auf der Grundlage ihrer Regeln dagegen vorgehen können, bedarf es spezifischer Vorschriften. Das ist vergleichbar mit dem Anti-Doping-Code, der ja ebenfalls klare Regelungen im Bereich der Dopingbekämpfung geschaffen hat. Davon unabhängig ist die strafrechtliche Verfolgung durch die staatliche Justiz.  

Wie dringlich ist die Erstellung eines Safe Sport Codes? 

Nolte: Bedeutung und Ausmaß der interpersonalen Gewalt sind in den vergangenen 15 Jahren durch Studien insbesondere meiner Kollegin Bettina Rulofs von der Deutschen Sporthochschule immer klarer nachgewiesen wird. Beides steht in einem umgekehrten Verhältnis zur Verfolgbar- und Sanktionierbarkeit durch die Sportverbände aufgrund eigener Regeln. Das ist ein offenkundiges Missverhältnis. Und das betrifft nicht nur unsere offiziellen Kooperationspartner in diesem Projekt. Dem soll mit dem Safe Sport Code Abhilfe geschaffen werden. Er soll ein mustergültiges Regelwerk sein, an dem sich auch andere Verbände orientieren können.  

Das Thema sexueller Missbrauch im Sport ist in den vergangen 15 Jahren mehr in den Vordergrund getreten

Was genau wollen Sie regeln?   

Nolte: Es geht zunächst um Verbotsnormen, welches Verhalten als unerwünscht gelten sollen. Darüber hinaus wird es Gebotsnormen geben, zum Beispiel Meldepflichten für Dritte, die nicht Opfer von Gewalt sind, aber von der Begehung Kenntnis erlangen.    

Gibt es noch einen Schwerpunkt?

Nolte: Es geht weiterhin um Verfahrensbestimmungen, beispielsweise zur Ermittlung und Durchführung von Anhörungen, zur Beweiserhebung und zu möglichen Sanktionen. Dabei müssen justizielle Gewährleistungen vorgesehen sein. Im Mittelpunkt steht das Interesse von betroffenen Opfern. Aber Falschverdächtigungen oder fälschlich ausgesprochene Sanktionen könnten dazu führen, dass das Leben Unschuldiger zerstört wird. Deshalb ist es wichtig, alle Interessen hinreichend zu berücksichtigen. Aber noch einmal: Im Mittelpunkt steht der Schutz Betroffener.

Wie unterscheiden sich Sportgerichtsbarkeit und Strafrecht? 

Nolte: Im Sportrecht gelten andere Beweisregeln als im Strafrecht. Das wird häufig übersehen. Das Beweismaß für die Verhängung von Sanktionen bei sportverbandlichen Regeln liegt bei über 50 Prozent, vergleichbar mit arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Im Strafrecht liegt das Beweismaß bei 99 Prozent. Auch vor diesem Hintergrund muss man besonders behutsam arbeiten, um keine falschen Entscheidungen zu treffen. Zumal die sportverbandlichen Verbote auch unterhalb der strafrechtlich relevanten Schwelle ansetzen können. Bei körperlichen Vergehen steht das Eingreifen außer Frage. Schwieriger wird es im psychischen Bereich.  

Hätte ihr Code auch internationale Wirkung?

Nolte: Zunächst ist der Safe Sport Code nur für Deutschland gedacht. Aber er ist natürlich übersetzungsfähig und man kann sich vorstellen, dass der Code auch für andere nationale Olympische Verbände angenommen wird. An diesem Regelwerk könnten sich auch andere internationale Verbände ausrichten. 2014 haben wir einen Code für Spielmanipulation entwickelt, an dem später die UEFA Interesse gezeigt hat. So etwas wäre auch in diesem Fall denkbar. 

Das Interview führte Jörg Strohschein

Martin Nolte leitet das Institut für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule. Der Universitäts-Professor befasst sich mit Spiel- und Sportregeln (inter-) nationaler Sportorganisationen sowie den sportrelevanten Normen des (zwischen-) staatlichen Rechts mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen des Sports in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Sicht.





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